Gesucht: Wappen auf Zinn-Kanne

Rätsel um ein Wappen auf einer Kanne

Durch Anklicken der mittleren Abbildung erhalten Sie eine Darstellung mit besserer Auflösung.

(Artikel im St.Galler Tagblatt vom 25.7.2003)

Herisau. Auf einer Kanne eines Frauenfelder Zinngiessers befindet sich eine nicht eindeutig zuzuordnende Darstellung eines Familienwappens, wahrscheinlich dasjenige einer Familie Meyer aus Herisau.

Hans Hürlemann

Wer ernsthaft alte Gegenstände sammelt, ist bestrebt, möglichst viel über seine schönen Stücke herauszubringen, vor allem über den Hersteller, aber auch die Geschichte des Gegenstands. So verhält es sich auch bei der abgebildeten Zinnkanne, die aus der Werkstatt des Frauenfelder Zinngiessers Hans Melchior Teucher (1686-1742) stammt. Er ist 1703 als Meister in die Constaffelzunft eingetreten, war Stadtwachtmeister und Mitglied des Grossen Rats.

Das Werk, um das es hier geht, ist eine sehr schöne, sechskantige Prismenkanne, die mit grösster Wahrscheinlichkeit von einer Herisauer Familie bestellt worden ist, denn auf einem Schild befindet sich das Herisauer Wappen mit dem Bären, der zwar in die heraldisch falsche Richtung marschiert, aber den Balken auf der Schulter trägt und von den Ausserrhoder Initialen V und R begleitet ist. Für V und U wurden früher dieselben Buchstaben verwendet. Die Initialen bedeuten «Usser Rhoden». Auf einem aufgelöteten Medaillon erkennt man ein ziemlich abgeschliffenes Wappen, das bisher nicht restlos geklärt worden ist. Nach dem Appenzellischen Wappen- und Geschlechterbuch von Koller und Signer könnte es eine Abart des Siegels von Conrad Meyer von Herisau von 1727 sein. Es ist ein sprechendes Wappen, das einen «Maien» zeigt, einen Blumenstrauss mit Maienriesli, was natürlich nichts mit der ursprünglichen Bedeutung des Namens zu tun hat. Die Figur über dem Schild passt da schon eher: Sie trägt einen Meierhut, den Hut als eine Art Amtstracht für einen Verwalter. Die Frage, die sich aus dem bisher Geschilderten ergibt, ist die, ob wohl irgend ein Leser Kenntnisse hat, die die Abweichungen im Wappen auf der Zinnkanne erklären.

Das Problem mit den "Maieriisli"
(weitere Anmerkungen zum Wappen im Tagblatt-Artikel vom 5.11.2003)

Herisau/Wolfhalden: Verena Roesli hat sich einen Namen gemacht als Fachfrau für Wappenfragen. Sie - und ein paar andere Wappenfreunde - reagierten auf einen Aufruf, der ein rätselhaftes Wappen auf einer Zinnkanne zur Diskussion stellte. 

Hans Hürlemann 


Es geht hier um eine besondere Sorte Maiglöckchen, die in der Ostschweiz «Maieriisli» heissen - trotzdem ist aber nicht von Botanik die Rede. Das hübsche Pflänzchen spielt eine Rolle in einem rätselhaften Wappen in einem Medaillon auf einem etwa 300-jährigen Zinnkrug.

Rätselhaftes Wappen 
In der Sammlung eines Zinnliebhabers aus Luzern befindet sich eine prächtige sechseckige Prismenkanne aus der Werkstatt des Frauenfelder Zinngiessers Hans Melchior Teucher (1686-1742). Er ist 1703 in die Constaffelzunft eingetreten, war Stadtwachtmeister und Mitglied des Grossen Rates. Die Kanne selber ist also genau bestimmbar. Etwas anders verhält es sich mit der Dekoration. Sie besteht neben ornamentalem Rankenwerk aus einem nach links schreitenden Bären mit einem dicken Prügel auf der Schulter und den Buchstaben V und R, was bekanntlich «Usser Rhoden» heisst. All das weist darauf hin, dass es sich um einen Bezug zu Herisau handeln muss, denn so sieht der Bär im Wappen der Gemeinde aus, natürlich ohne V und R, denn das gehört ins Kantonswappen. In einem aufgelöteten Medaillon (s. Bild nebenan) befindet sich ein Familienwappen, das nicht eindeutig zuzuordnen ist und das zu verschiedenen, im Detail abweichenden Interpretationen geführt hat. Der Sammler hat von einem Ostschweizer Heraldiker den Hinweis erhalten, dass das Wappen mit den «Maieriisli» dem Siegel der Familie von Conrad Meyer von Herisau von 1727 zuzuordnen sei, obwohl es in einigen Details von der Abbildung im Appenzellischen Wappen- und Geschlechterbuch von Koller und Signer etwas abweicht. Und genau das hat bei Wappenfreunden zu interessanten Reaktionen geführt.

Sogar ein Bischof 
Xaver Broder aus Rebstein war aufgefallen, dass das Meyerwappen von den heraldischen Vorschriften abweicht, denn Metall auf Metall - Silber auf Gold, das ist heraldisch gesprochen weiss und gelb - und Farbe auf Farbe ist verboten. Beim Herisauer Meyerwappen kommen tatsächlich grüne Kelchblätter der Maiglöckchen auf blauem Grund vor. Bruno Nussbaumer fand Parallelen in Zuger Wappen - dort aber kommen auf einem Dreiberg im Meyerwappen keine Maieriisli vor. Eine interessante Variante trug Josef Hagmann, der Betreuer der Chronikstube Mosnang, vor: In der besagten Chronikstube wird eine prächtige Familiengeschichte aufbewahrt, die für einen prominenten Mosliger Bürger geschrieben wurde: den St.Galler Bischof Josef Meile (1891 bis 1957). Sein Bischofs-Wappen enthält den Bären mit dem Holzprügel und den Dreiberg mit den Maieriisli. Als Helmzier erscheinen allerdings kirchliche Symbole, also Mitra, Krummstab und Prälatenhut, während auf dem Zinnkrug über einer Helmdecke ein Männlein mit dem Meierhut dargestellt ist. Das weist auf die Berufsbezeichnung «Meier» hin, was Verwalter bedeutet. Das Wappen mit dem prügeltragenden Bären wurde allerdings sehr spät, nämlich 1847 für das damals selbständig gewordene Bistum St. Gallen geschaffen. Hagmann vermutet deshalb, als Auftraggeber für die Kanne könnte ein Vorfahr des Bischofs in Frage kommen, nämlich Markus Meile (1625-1672), der als Stiftsarzt in St. Gallen wirkte. Der Mosliger Geschichtsfreund glaubt nicht so recht, dass die beiden Buchstaben neben dem Bären so ohne weiteres mit Ausserrhoden in Verbindung zu bringen seien.

Spuren nach Zürich 
Ganz andere Ideen vertritt die Heraldikerin Verena Roesli aus Wolfhalden. Sie stammt aus einer Familie, die sich schon seit langem intensiv mit der Wappenkunde auseinandersetzt. Sie selber gestaltet mit Ölfarbe Familienwappen auf echtem Pergament, also ganz speziell behandeltem Kalbleder, und hat eine imposante Wappensammlung, die ihr Vater, der Kunstmaler und Heraldiker Fritz Müller aus St. Gallen, zusammengetragen hat. Darunter befindet sich das Wappenbuch der «wolgeborenen Edlen und Bürgerlichen Geschlächten», die «Dietrich Meyer Bürger zu Zürich Anno 1605 ... mit sonderbarem Fleiss auf das Kupfer gebracht». Darin ist ein Wappen aufgeführt, das demjenigen auf der Kanne am nächsten kommt: Dreiberg und Maieriisli stimmen genau, die Helmdecke ist sehr ähnlich - einzig die Helmzier mit dem Männchen fehlt. Im gleichen Buch findet man aber so ein Männchen mit den Maieriisli in der Hand bei der Familie Hegi und der Hut stammt von der Helmzier der Familie Häfeli. Solche Zusammensetzungen seien recht oft vorgekommen, sagt Verena Roesli. Sie vermutet, dass einer aus dem Geschlecht der Zürcher Meyer nach Herisau gekommen sein könnte. Das ist nicht von der Hand zu weisen, denn so kurz nach der Reformation waren die Beziehungen der reformierten Ausserrhoder nach dem in Religionssachen tonangebenden Zürich recht eng. 

Der Genealoge Wolf Seelentag, St. Gallen, hat übrigens Bild und Umfrage im Internet platziert unter www.swissgenealogie.ch. Dort sind aber keine Resultate aktualisiert worden seit der Aufschaltung im Juli (was hiermit getan wird J).


Betreut wird diese Seite von Wolf Seelentag / © St.Galler Tagblatt / Letzte Bearbeitung 11 Juni 2005.